Werders neuer Kreativspieler Izet Hajrovic
Zell Am Ziller. Beim 5:2 im Testspiel gegen Innsbruck mühen sich Hajrovic und seine Bremer Mitspieler, einander näher zu kommen. Offenbar wird es nicht mehr ewig dauern, bis sie sich gefunden haben.
58 Minuten hat Izet Hajrovic nun zusammen mit seinen neuen Teamkollegen von Werder Bremen auf dem Platz gestanden. Sicher, der Gegner ist ein österreichischer Zweitligist gewesen, das Spiel ein Test und der Platz ein Witz. Aber trotzdem fällt dieser Satz auf, den Hajrovic nach dem 5:2 gegen den FC Wacker Innsbruck sagt: „Ich hab‘ mich sehr wohlgefühlt.“
Wie Hajrovic sich fühlt, ist bei Werder ziemlich wichtig. Zwar betonen Trainer Robin Dutt und seine Spieler täglich, wie fit und formstark die Bremer Mannschaft ist, wie harmonisch und charakterlich einwandfrei. All diese Vorzüge können wertvoll werden in der neuen Saison, aber sie klingen ein wenig routiniert. Dutt wird jemanden brauchen, der auch mal überrascht, der Witz und Leichtigkeit und schräge Ideen aufs Feld bringt. Das kann, nach dem Weggang von Aaron Hunt, nur Hajrovic. Er berichtet, der Trainer habe ihn vor dem Innsbruck-Spiel gebeten, „dass ich den Fußballer in mir zeigen und nicht nur die Taktik auswendig lernen soll“. Dutt habe gesagt, er solle sich die Freiheit nehmen, das passieren zu lassen, „was halt spontan so passiert auf dem Feld“. Dieser Auftrag hat ihm gefallen.
Gegen Innsbruck gab es viele kleine Szenen, die andeuteten, dass Hajrovic bei Werder ein Großer werden könnte, dass bis dahin aber noch einiges zusammenwachsen muss. Er trat die Freistöße und Eckbälle. Manche flogen am Ziel vorbei, ein Eckball aber landete auf dem Kopf des Linksverteidigers Santiago Garcia – und von dort im Netz zum 3:2. Durch einen Doppelpass mit Ludovic Obraniak kreierte Hajrovic einen der schönsten Angriffe der Partie. Einmal, als er aufs Tor schoss, verhinderte nur ein Innsbrucker Abwehrbein auf der Linie seinen ersten Treffer für Werder.
Seine Mitspieler versuchten Hajrovic einzubinden, wo sie konnten. Torhüter Raphael Wolf drosch einen Abschlag weit nach vorn, ein wenig zu weit, Hajrovic rannte dem Ball vergeblich hinterher. Er dankte Wolf trotzdem, mit einem weithin sichtbaren Signal: Daumen hoch. Einmal spielte Felix Kroos den Ball vorm Strafraum quer, er wollte den heranstürmenden Hajrovic bedienen, doch der kam Sekundenbruchteile zu spät. Kroos hob entschuldigend die Hand. Es war klar zu erkennen, dass beide Seiten sich mühten, einander näher zu kommen. Und dass es nicht mehr ewig dauern muss, bis sie sich gefunden haben.
Der Neue spielte im Sturm, nicht auf seinem geliebten rechten Flügel. Doch auch dort ließ er erahnen, dass er etwas hat, das andere nicht haben: einen gefühlvollen Fuß, einen wachen Blick, einen Antritt im richtigen Moment. Noch spürt Hajrovic, dass seine Mitspieler eher mit der Saisonvorbereitung begonnen haben als er. Aber er holt auf. Dutt lobte nach dem Sieg gegen Innsbruck, der Bosnier sei „sehr engagiert“ gewesen. Natürlich habe man gemerkt, dass er noch nicht jeden Bremer Laufweg kennt. Aber er habe „gute Standards“ gezeigt. Dutts Fazit: „War ganz okay.“ Soll wohl heißen: Da geht noch was.
Wen man auch befragt zu Hajrovic: Jeder lässt anklingen, welches Potenzial dieser Kreative hat. Kapitän Clemens Fritz lobt: „Er hat sehr, sehr gute Bewegungen drauf.“ Angreifer Nils Petersen glaubt, „dass er ein Spieler ist, der den Unterschied ausmachen kann“. Wie groß kann dieser Unterschied sein? Wie gut kann Hajrovic werden?
Er geht mit Fragen wie diesen erstaunlich gelassen um – dafür, dass er erst 22 Jahre alt ist. Hajrovic kann damit leben, dass sein Stil oft mit dem des Niederländers Arjen Robben verglichen wird. Er sieht die Ähnlichkeiten ja selbst: Wie Robben zieht er gern von rechts in die Mitte, um dort den Abschluss zu suchen oder den entscheidenden Pass. Überhaupt wird Hajrovic mit vielen Größen des Fußballs verglichen. Oft hat er gehört, er ähnele dem Argentinier Lionel Messi. Oder dem Deutschen Miroslav Klose. Oder dem Engländer Frank Lampard. Wenn Hajrovic tatsächlich ein kleiner Robben-Messi-Klose-Lampard würde, dann läge Bremen ihm zu Füßen. Denn dann vereinte er Rasanz und Genie, Kopfballstärke und einen hammerharten Schuss.
Doch so weit ist es längst nicht. Vorerst ist Hajrovic froh, bei Werder angekommen zu sein. Auch wenn der Streit um seinen Wechsel von Galatasaray noch eine Weile weitergeht. Jüngste Wendung: Der türkische Fußball-Verband hat die Freigabe für Hajrovic verweigert; jetzt beantragen Werder und der Spieler sie bei der FIFA.
Hajrovic sagt, ihn belaste das juristische Gezerre nicht: „Mein Kopf ist jetzt 100 Prozent hier bei Werder.“ Er betont, seine Kündigung in Istanbul wegen ausgebliebener Gehälter sei korrekt gewesen: „Wir sind uns sicher, dass wir alles rechtsgültig gemacht haben.“ Und die Beschimpfungen auf seiner Facebook-Seite? Zum Teil sei es „krass, was die alles geschrieben haben, nicht nur gegen mich, sondern auch gegen meine Familie“. Aber das sei halt so in diesen Wochen. „Mit der Zeit interessiert‘s dann keinen mehr, was da gelaufen ist.“
Auch Werders Sportchef Thomas Eichin kommentiert den Fall Hajrovic betont gelassen. Dennoch darf man davon ausgehen, dass sie bei Werder aufatmen würden, wenn alles bald geklärt wäre. Denn was wäre, wenn der Transfer doch noch scheiterte? Ausmalen mag sich das nur jemand, der Werder wenig wohlgesonnen ist.
Quelle:
Artikel Weserkurier vom 25.07.2014